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Freitag, 14. Februar 2020

Billie Eilishs Die Frau mit der goldenen Stimme

Billie Eilishs Die Frau mit der goldenen Stimme
Drei unendlich lange Wochen haben wir gewartet, nun ist er da: Billie Eilishs Titelsong für den neuen James-Bond-Film. In "No Time to Die" steckt eine kleine Revolution.



Jetzt ist er also endlich da, der neueste, Ende Januar angekündigte Bond-Song, No Time to Die. Mit ihm reiht sich die gerade einmal 18 Jahre alte Billie Eilish ein in eine relativ schmale, aber zeitlich weit zurückreichende Gattung der Popmusik: Der Bond-Song-Kanon umfasst mittlerweile fast sechzig Jahre Musik, aber nur 25 Lieder; die Songs haben zwar stets Musikmoden aufgenommen, aber andererseits immer gewisse Muster und Ticks beibehalten. Geschrieben wurde dieses jüngste Exemplar eines Bond-Songs von Finneas O'Connell, Eilishs Bruder; die Instrumentierung stammt teilweise von Hans Zimmer, und angeblich soll das Spiel des ehemaligen Smiths-Gitarristen Johnny Marr irgendwo im Song zu hören sein. Da sind die Erwartungen entsprechend hoch. Erfüllt sie No Time to Die?

Einerseits ist es etwas enttäuschend, wie sklavisch No Time to Die dem Muster der letzten paar Bond-Songs folgt. Genau wie bei Skyfall von Adele und Writing's On the Wall von Sam Smith handelt es sich um einen sehr traurigen, sehr getragenen Song, der lange ohne Beat auskommt. Und obwohl Billie Eilish es in ihrem bisherigen Oeuvre immer wieder vermag, Jugendlichkeit eine neuartige, ungewohnte Stimme zu verleihen, unterwirft sich ihre in No Time to Die dem, was sie und ihre Produzenten als Diktum des Bond-Formats zu verstehen scheinen.



Will sagen: Wie Adele und Smith vor ihr altert auch Billie Eilish ihre Stimme sozusagen, gibt ihrem Affekt etwas Abgeklärtes, Verwundetes. Bei aller Kraft, die Eilishs rauchig-verhauchte Stimme in diesem Lied entfaltet – man spürt, welche neuen und innovativen Möglichkeiten in den rigiden Konventionen des Bond-Titellieds bestanden hätten, wenn man sich nur getraut hätte, sie ein wenig infrage zu stellen. Zum dritten Mal in Folge ordnet sich hier eine eigentlich überqualifizierte Stimme einem Format unter, welches sie eigentlich hätte revolutionieren oder zumindest verjüngen können.

Aber genau wie Sam Smith vor ihr versteht es auch Eilish, innerhalb des etablierten Formats, innerhalb des Formelhaften kleine Erschütterungen auszulösen. Vielleicht wird es, genau wie Writing's On the Wall, deshalb erst mit der Zeit als einer der besseren Bond-Songs der jüngeren Geschichte akzeptiert werden. Das Lied ist ungemein reduziert, die süffig-langatmige Melodie und der episch lange Refrain passen gerade eineinhalb Mal in die vier Minuten Lied. Das Orchester ahmt zwar die langatmige Melodik nach, die für den Bond-Song seit Jahrzehnten typisch ist (obwohl einige der interessanteren Songs mit diesem Muster gebrochen haben). Aber während des Refrains schmuggelt der Song ein minimalistisch aufsteigendes Motiv ein, das von Filmkomponist Hans Zimmer stammen dürfte. Es ist hypnotisch und bedrohlich und unheimlich effektiv. Es ist das heimliche Herz des Songs. Der ist da am besten, wo er sich selbst reduziert, abstrahiert, zurückhält.



Reduziert ist auch die Thematik der Lyrics, für Eilishs Verhältnisse erstaunlich geradlinig singt sie hier über eine in die Binsen gegangene Beziehung. Viele der direkten Bond-Song-Vorgänger bedienten ein überproportioniertes Traumavokabular; Eilish hingegen, die jüngste Sängerin, die sich je an einem Bond-Lied versuch hat, verweigert sich dieser vorgetäuschten Tiefe. No Time to Die ist ein Liebeslied, ein wenig traurig, ein wenig verletzt. Aber der- oder diejenige, die im Lied verlassen wird, positioniert den Verrat als eine weitere Lektion, die noch zu lernen ist.
Überhaupt durchkreuzt der Songtext viele der konventionellen Tropen des Bond-Kanons, indem er die inflationäre Metaphorik von Blut und Tod herunterkocht: "The blood you bleed is just the blood you owe", singt Eilish, und es ist klar, dass es um enttäuschte Liebe geht. Auch die Zeile "Are you death or paradise?" klingt eher nach jugendlicher Selbstüberschätzung.

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